Drachenbrosche, 1979, Elfenbein, ca. 7 cm Durchmesser, 6 mm dick
Drachenbrosche
Drachenbrosche
Im Jahr 1977 hatte ich schon vier Jahre lang Obstkerne zu Miniaturen geschnitzt, als ich auf die Idee kam, etwas aus besserem Material zu schaffen. Ich bestellte zu diesem Zweck eine Elfenbeinscheibe bei einem Juwelier. Nach zwei Wochen konnte ich sie abholen. Für einmal hatte ich eine Skizze angefertigt. Es sollte eine Brosche werden mit drei ineinander verschlungenen Drachen. Bald musste ich erkennen, dass Elfenbein ungemein zäh ist. Ich musste lernen, Geduld zu haben und jeweils nur ganz kleine Schnipsel weg zu schneiden. Hartnäckig arbeitete ich – ausschliesslich mit Schnitzmessern – weiter, bis nach zweieinhalb Jahren die Brosche fertig war.

Ungewöhnlich war, dass ich fast ein Jahr lang am Zentralbereich herum pröbelte – mit Skizzen von Blumen, Sternen, Lücken – bis ich den Schnitzmessern einfach freien Lauf liess. Es entstand eine Kugel mit schlangenartigen Umhüllungen.

Viele Jahre später – 1994 – reiste ich nach China, um an geeignetem Ort mit chinesischen Partnern eine Farbenfabrik zu bauen. Während dieser Reise kam ich nach Beijing, wo ich an einem freien Sonntag die «forbidden city» besuchte. Zum ersten Mal wurde ich mit dieser uralten Kultur konfrontiert. Während dem Wechseln eines Fotofilms hörte ich plötzlich in meinem Ohrmikrofon: «Wenn Sie sich umdrehen, erblicken Sie das wohl grösste Kunstwerk in China aus einem Stück: Eine etwa 200 Tonnen schwere Marmorplatte zwischen zwei Treppen, über die der Kaiser in seiner Sänfte zum nächsten Tempel getragen wurde. Auf dem Stein sehen Sie den kaiserlichen Drachen, welcher die Perle der Vollkommenheit hütet.» Mir blieb fast das Herz stehen, als ich die Perle mit ihrem Flammenmantel erblickte. Dieselbe Perle, welche ich mehr als fünfzehn Jahre früher ins Zentrum meiner Brosche geschnitten hatte! Als ich abends dieses Erlebnis meinen chinesischen Kollegen erzählte, zeigten sie ein feines Lächeln und sagten: «Now you know why your firm sent you to China! You have been here a very long time ago. You will feel our culture, when we start working together.»