HOLZSCHNITZEN
Im Jahr 1962 begann ich mit kleinen Holzschnitzereien. Dies entsprang anfänglich dem Drang, meine Finger zu beschäftigen. Mit dem Taschenmesser bearbeitete ich irgend welche knolligen Astwucherungen, ohne eine Ahnung von dem zu haben, was dabei herausschauen sollte. Mit den Jahren verfeinerten sich sowohl eingesetzte Messer wie auch die Resultate der Schnitzarbeit. Es wurde aber so etwas wie Tradition, pro Ferien ein bis zwei solcher Figuren herzustellen. Meine Kinder fragten mich dann, was ich zu schnitzen beabsichtige. Da ich es ja selbst nicht wusste, antwortete ich eben: «Ich weiss nicht. Wir müssen zuerst abwarten, was das Holz dem Messer erzählt.» Oft versuchten sie, ihr Ohr an das Holzstück zu schmiegen, um das Gespräch zu belauschen. So entstanden im Verlauf der Jahre die unterschiedlichsten Figuren.
Bald nach Aufnahme meiner Tätigkeit als Betriebschemiker hatte ich Projekte zu bearbeiten. Die Planungs- und Inbetriebnahmearbeiten erstreckten sich sehr häufig bis tief in die Nacht hinaus. Oft verspürte ich bei meiner Rückkehr nach Hause Lust auf manuelle Betätigung. Dann nahm ich aus meinem Fundus irgendein Holzstück und begann, daran zu arbeiten. Dies zog sich meist über Stunden hinaus und gab mir die Möglichkeit, den vergangenen Tag durchzudenken. Danach konnte ich kurz aber tief schlafen und am nächsten Morgen ausgeruht zur Arbeit gehen.
MINIATUREN: SCHNITZEN VON OBSTKERNEN, TAGUANÜSSEN, HORNSPITZEN
1973 wurden die Sommerferien vollständig verregnet. Es war kein geeignetes Holz zu finden. Ich wurde immer unruhiger, weil meine Hände unbedingt beschäftigt werden wollten. Etwas verzweifelt ass ich eine Aprikose. Statt den Kern weg zu werfen, drehte ich ihn unschlüssig in den Händen. Plötzlich erkannte ich, dass dies ja auch schnitzbares Material sein könnte. Ich holte meine Schnitzmesser und begann zu arbeiten.
Es zeigte sich dabei eine neue Herausforderung: Obstkerne sind ausserordentlich hart. Es braucht sehr viel Kraft, präzise Schnitte anzubringen. Dabei muss der Kern zwischen Daumen und Zeigefinger festgehalten werden. Als Widerlager dient der Daumen der Hand mit dem Messer. Bedingt durch die Kleinheit des Materials sind die Schnitte auch sehr klein. Es kann deshalb am Anfang oft geschehen, dass das Messer statt des Kerns eben den Daumen trifft.
Mit der Zeit hatte ich genügend Fertigkeit, immer feinere Strukturen herauszuholen und dabei auch immer weniger den Daumen zu treffen. Da ich mit blossem Auge nicht alle Feinheiten erkennen konnte, arbeitete ich mit Uhrmacher- oder Briefmarkenlupen. Es entstanden Figuren aus Aprikosen-, Pfirsich-, Pflaumen- oder Kirsch- und Olivenkernen. Meine Familie befürchtete, dass ich schliesslich bei Erdebeerkernen landen könnte! Heute arbeite ich vornehmlich mit Aprikosenkernen oder Taguanüssen. Die Letzteren werden auch botanisches Elfenbein genannt, weil sie in Aussehen, Härte und Zähigkeit diesem Material gleichen. In Asien werden diese Nüsse mehr und mehr als Ersatz zum kaum mehr erhältlichen echten Elfenbein zur Herstellung von Schmuck oder Siegeln verwendet.